Klimageschichten #Part 1
- Marie
- 25. Feb. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Vor einigen Jahren erzählte mir Tante Eva-Lotta von der MusNok-Maschine.
"Als Kind spielte ich mit meinen Geschwistern stundenlang im Garten hinter dem Haus. Wir pflückten Kirschen, flochten Kränze, kletterten auf den Apfelbaum, bauten Räuberhöhlen in der Nussbaumhecke oder lagen einfach nur auf der Wiese mit den bunten Blumen und starrten in den blauen Himmel. Gerne lauschten wir - lässig auf einem langen Grashalm kauend - unserer Großmutter, die auf der Holzbank saß, Bohnen schälte und spannende Geschichten zu erzählen wusste.
Der Garten war weitläufig und der Vater hatte immer weniger Zeit ihn zu pflegen. Man sah ihn kaum noch an der frischen Luft.
Eines Tages - wir größeren Kinder kamen gerade aus der Schule - stand vor dem Gartenzaun die neue MusNok-Maschine. Sie war nicht sehr groß. Ein kleiner chromblitzender Schrank mit einem Messingrad, das man drehen konnte. Darunter mehrere, verschieden große Fächer, in die man durch gläserne Klappen hineinschauen konnte. Hinter ihr führten einige Drähte und Rohre hinaus in den Garten, wo sie nach kurzer Zeit im Boden verschwanden.
'Was ist das?', fragten wir Kinder aufgeregt. 'Passt auf', sagte der Vater und drehte an dem Messingrad. Es surrte leise. 'Musss, Musss' Plötzlich fiel mit einem leisen 'Nok' etwas in das oberste Fach. Der Vater öffnete die Klappe, steckte seine Hand hinein und entnahm ein kirschrotes Bonbon, welches er mit großer Geste in die Hand meiner staunenden, kleinen Schwester legte. Wir starrten ungläubig auf das klebrige Ding und unsere Anspannung löste sich erst, als sich meine Schwester das Bonbon in den Mund steckte, es genüsslich von einer Wange in die andere schob und vor Begeisterung in die Hände klatschte. Dann konnte es uns nicht schnell genug gehen. Einen nach dem anderen versorgte der Vater mit den süßen Gaben der Maschine.
Von nun an drehte der Vater täglich an dem Rad und die Maschine produzierte Milch, Eier, Käse und Brot. Später schickte uns die Mutter sogar alleine los und wir durften aus der Maschine alles Nötige zum Essen holen. Natürlich fiel dabei nach den Kartoffeln und Möhren auch die eine oder andere Tüte Piratenbrause oder eine bunt gefärbte Kaugummikugel ins Fach.
Oma mochte das Teil nicht. Sie ging weiter in den Garten und hätte am liebsten wieder Hühner gehalten, aber sie war zu alt zur Pflege des Zaunes. Vater mied die Gartenarbeit und der Bruder verweigerte die Unterstützung. Er hatte Angst, dass es wieder zähes Hähnchenfleisch geben würde, statt der saftigen, dicken Schweinekoteletts, die die Maschine vor kurzem ausgeworfen hatte.
Zu Weihnachten bekam mein Bruder aus dem unteren Fach der Maschine ein Fahrrad und ich eine neue Puppe mit großen beweglichen Kulleraugen, obwohl ich schon eine kleine, von der Mutter selbstgenähte besaß.
Da wir auch Bohnen, Äpfel und exotische Orangen aus der Maschine bekamen, gingen wir Kinder immer seltener in den Garten. Bei einem kurzen Besuch war er matschig und voller nassem, dreckigen Laub, so dass ich mich fragte, wie wir dort hatten spielen können.
Irgendwann fing die Maschine an haltbare Plastikteile auszuspucken. Einen Wasserball, die Plastikgießkanne, Plastiktrinkbecher und Tüten. Etwas später war auch alles Essbare hygienisch einwandfrei mit Plastik umhüllt. Sie qualmte jetzt öfters und ruckelte immer stärker, wenn man am Rad drehte, aber das Produzierte war stets makellos. Einmal hatte mein Bruder hinter die Maschine geschaut und gesehen, wie sich eine fehlerhafte Magarineschachtel in dem Rohr verklemmt hatte. Nach einem Tritt verschwand sie jedoch spurlos. Kurz darauf bekam die Maschine ein neues Rad aus Hartplastik und das untere Fach wurde um mehr als das doppelte erweitert.
Oma beklagte sich, dass ihre Bank im Garten verfiel und keine Vögel mehr zu hören seien, aber statt die Bank zu reparieren, warf der Vater die MusNok-Maschine an und erzeugte für Oma einen verstellbaren Liegesessel, den er ihr freudig ins Haus stellte. 'Hier muss du dich nicht mehr der Kälte und dem Wind aussetzen', meinte er stolz. 'Es ist gar nicht mehr so kalt draußen', protestierte Oma, doch bald saß sie - zunehmend teilnahmsloser - im neuen Sessel.
Mit der Zeit wurden wir Kinder älter und benutzten die Maschine mit großer Selbstverständlichkeit. Das schwere Motorrad, der schicke Flugkoffer, der erste eigene Fernseher, das nächste angesagte T-Shirt, amerikanische Burger und das neuste Zubehör für die Barbiepuppensammlung der kleinen Schwester.
Als Oma starb, ging ich noch einmal in den Garten. Sie wollte keine dieser Plastikblumen auf ihrem Grab. Es stank und eine große Öllache hatte sich auf dem Rasen ausgebreitet. Der Apfelbaum war abgestorben und von Omas Bank war nichts mehr zu sehen. Da ich keine Blumen fand, pflückte ich im hinteren Teil des Gartens zwischen verwehten Plastiktüten den letzten Rest eines grünen Farns. Dann verließ ich den Ort schnell, ich musste in meiner neuen Wohnung noch Platz schaffen für die letzten Teile der Einbauküche, die wir morgen mit der Maschine erzeugen wollten."
Tante Eva-Lotta schwieg. Ich wartete, aber sie schien in Gedanken versunken. "Und", fragte ich " wie geht die Geschichte aus?" Sie schreckte auf. "Das weiß ich nicht. Sie ist noch nicht zu Ende.", sagte sie und strich über die Armlehne ihres alten, knarrenden Liegesessels.
Quelle: www.die-klimaschutz-baustelle.de
So, das wars jetzt auch ersteinmal für heute :) Ich hoffe, euch hat diese Geschichte gefallen und ihr schreibt mir in die Kommentare, ob ihr weitere dieser Geschichten lesen wollt! ;)
Eure Marie ^^



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